"Wer trägt sein Haus immer mit sich?", fragt Betreuerin Birgit Babel in die Runde von Seniorinnen und Senioren. "Die Schnecke!", antworten gleich zwei Frauen gleichzeitig. Auch bei der Übung, den Satz "Da liegt der Haussegen ...?" zu vervollständigen, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten: "schief", murmelt ein Mann. "Richtig", lobt Birgit Babel ihn. Und die Leute nicken und lachen, als sie ergänzt: "Das kommt in den besten Ehen vor." Ein Morgen in der Tagespflege des Caritas-Seniorenzentrums St. Josef in Abenberg. Insgesamt 17 pflegebedürftige Menschen, mehrere mit Demenz, kommen nach Mitteilung von Einrichtungsleiterin Ursula Reichmann hier-her, täglich sind es zehn. "Haus und Hof" lautet das Thema, mit dem sie sich heute beschäftigen. Damit hatten viele der Tagespflegegäste in ihrem früheren Leben zu tun.
Während die meisten an diesem Morgen in ihren Stühlen sitzen und sich auf das Gedächtnistraining konzentrieren, läuft ein Mann unruhig im Raum umher. Er redet laut vor sich hin, was einer älteren Dame missfällt, die so der Übung nicht mehr folgen kann. Die stellvertretende Pflegedienstleiterin Karin Rabus, welche die Gruppe mit Birgit Babel leitet, führt den Herrn wieder zu seinem Platz und beschäftigt ihn dort mit einem Spielzeugtraktor. Jetzt kann es in Ruhe weiter-gehen: Birgit Babel notiert Wörter mit "haus" am Ende an einem Flipchart, die ihr die Seniorinnen und Senioren zurufen, und fragt öfters "Was habt Ihr früher gehabt?" "Waschhaus" und "Treppenhaus", sind einige Wörter, die fallen.
Geistig, körperlich und musisch aktiviert
Das Gedächtnistraining, zu dem auch ein Gespräch über Themen in der Zeitung gehört, ist laut Birgit Babel eines der wichtigsten Angebote, "aber auch das Singen und Bewegung im Sitzen". Beides praktizieren die Tagespflegegäste noch an diesem Tag. Kurz vor dem Mittagessen stimmen alle in "Kein schöner Land" ein. Einige singen es mit, andere summen und wiederum andere bewegen ihre Lippen zu dem Lied. Nach dem Mittagessen und Nachmittagskaffee schießen oder werfen die Seniorinnen und Senioren sich einen Ball zu. "Das Gute ist, dass man damit auch die demenziell erkrankten Menschen sehr gut erreicht. Wir geben einen Reiz und sie reagieren da-rauf", erklärt Pflegedienstleiterin Manuela Mehl.
"Ich mag vor allem das Singen", sagt die 92-jährige Wilma Loy, die seit vier Jahren in die Tages-pflege kommt. Auf die Frage, weshalb sie hier ist, antwortet sie schlicht: "wegen der Gemeinschaft". Birgit Babel bestätigt: "Ja, das ist hier fast wie in einer Familie, und so sollte es auch sein". Ein offenes Ohr und Zuwendung für ein liebevolles Miteinander hält sie für das A und O der Aufgaben derjenigen, denen die pflegebedürftigen Menschen anvertraut sind. "Ein Drückerle gibt es immer, wird auch oft gewollt und angenommen", beschreibt sie das, was der Caritasverband für die Diözese Eichstätt bei der diesjährigen Herbstsammlung mit dem Motto "Liebe wärmt" zum Ausdruck bringen will. Und gleichzeitig das, was vielen gefehlt hat, als dies wegen Corona nicht möglich war. Nicht nur, weil die Pflege- und Betreuungskräfte den pflegebedürftigen Menschen da nicht auch mal sanft über die Haut streicheln durften. Da gerade die demenzkranken Menschen über die Mimik noch gut erreicht werden können, "waren auch die Masken ein echter Zuwendungskiller", erklärt Ursula Reichmann und hofft, dass sich diese Zeiten nicht wiederholen.
Angebot hat Tradition
Tagespflege hat im Caritas-Seniorenzentrum St. Josef bereits Tradition. Sie wurde dort schon vor rund 20 Jahren ins Leben gerufen, seinerzeit unter dem Begriff "Tagesbetreuung". "Es ist das Entlastungsangebot für Angehörige, die ihre Lieben zu Hause pflegen, aber auch einmal einen Tag für sich brauchen, um zu entspannen, Behördengänge zu machen oder einzukaufen. Es ist ein ganz wichtiges Angebot, bevor man an eine Kurzzeitpflege oder vollstationäre Pflege denkt", erläutert die Leiterin des Seniorenzentrums. In diesem Zentrum ist es auch zum Großteil der nächste Schritt für Seniorinnen und Senioren, die zuvor das Angebot "Wohnen mit Service" in Anspruch nehmen: also für jene, die dort in den 45 Ein- und Zweizimmerappartements leben und Leistungen wie Essen, Zimmerreinigung, Waschen der Wäsche sowie Dienste im Bereich Hauswirtschaft und Technik in Anspruch nehmen können. Außerdem sind schon einige Abenberger Schwestern aus dem Schwesternwohnheim im Ort Tagespflegegäste gewesen, derzeit ist eine Ordensfrau in der Einrichtung. Wenn auch der Besuch der Tagespflege nicht mehr ausreicht, damit Pflegebedürftige und pflegende Angehörige das Leben noch gemeinsam gut miteinander meistern können, wechseln viele in den stationären Pflegebereich des Seniorenzentrums. Im letzten halben Jahr waren das Manuela Mehl zufolge vier Personen.
Seit zwei Jahren, seit dem Abschluss des großen Umbaus des Seniorenzentrums, existiert das Angebot in einer eigenen Wohnung als sogenannte solitäre Tagespflege: also abgetrennt vom stationären Pflegebereich. Insgesamt sechs Mitarbeiterinnen in Pflege und Betreuung, alle in Teilzeit, sowie ein Fahrer, die Reinigungskraft und der Hausmeister sorgen sich um das Wohl der Besucherinnen und Besucher der Tagespflege. Für Leiterin Ursula Reichmann ist am wichtigsten: "Die Leute kommen gerne. Man sieht an der Freude des Austausches untereinander, an der Freude, wie sie auf Angebote reagieren, wie wichtig es für sie ist, noch an gesellschaftlichen Themen teilzunehmen, zum Beispiel durch das Angebot Zeitungslektüre." Dies sei für ihr Selbstwertgefühl ungemein wichtig, so die Leiterin. "Sie sind noch wer, sie werden gefragt. Sie wissen noch was, und das ist wunderbar. Man merkt diese Freude den Gästen vor allem auch an, wenn sie beim Abschied bekunden, dass sie gerne das nächste Mal wiederkommen wollen."